Was genau sind Faszien? Wodurch kommt es zur Störung und was ist das besondere an der Faszientherapie nach Typaldos? Wie hoch sind die Kosten der Fazientherapie und werden diese von meiner Krankenkasse übernommen? In der Expertensprechstunde "Fazientherapie" beantwortet unsere Experte, Chirurg Jürgen Gabriel, Facharzt für Chirurgie aus Güstrow, diese und weitere Fragen von Patienten.
Faszien sind das, was wir im Allgemeinen als Bindegewebe bezeichnen. Hierzu gehören z.B. Bänder, Sehnen, flächige Bindegewebsschichten wie Plantarfaszie (Fußsohle) und Dorsalfaszie (Rücken), Muskelsepten, Gelenk und Organkapseln. Sie umhüllen und durchdringen unseren gesamten Körper, sie halten ihn zusammen, formen ihn und verleihen ihm Stabilität. Sie grenzen verschiedene Räume des Körpers ab, dienen als Gleit- und Verschiebeschichten. Sie speichern Fett und Wasser, fungieren als Durchgang für Nerven und Blutgefäße und wirken als Puffer und Dämpfer.
Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass Faszien eine wichtige Funktion bei der Eigenwahrnehmung des Körpers haben. Sie sind mit Rezeptoren besetzt, die verschiedene Signale wie Schmerz und Änderung von Bewegung, Druck, Temperatur und chemischem Milieu an das Gehirn senden.
Faszien sind so ein zentrales Organ der Körperwahrnehmung, das zudem noch rege mit Immunsystem und Psyche reagiert. Störungen der Faszien können zu einer veränderten Körperwahrnehmung führen, die mit Instabilität, geminderter Kraft, gestörter Feinmotorik, Schmerz oder auch mit Missempfindungen (brennendes Gefühl, Kribbeln, Taubheit) in verschiedenen Körperregionen einhergehen kann.
Haben Sie schon mal ein Roastbeef zubereitet? Der Deckel (die "Fettschicht") ist ca. 1cm dick. Dies ist die große Rückenfaszie. Oder haben Sie schon mal ein Rinderfilet zubereitet? Hier kann man noch ganz feine Häutchen von dem Filetstrang entfernen. Auch dies sind Faszien.
Als Folge von Unfällen, Bewegungsmangel, Stress, Zufuhr von chemischen Substanzen wie Medikamenten oder Giften, können Faszien verkleben, verfilzen und sich verdrehen und in einander haken. Die Faszien sind so nicht mehr voll funktionsfähig. Dies führt zu Schmerzen, Bewegungseinschränkung, Schwäche, Verminderung der Feinmotorik und Instabilität. Spezielle manuelle Techniken können diese Veränderungen rückgängig machen.
Das ganz besondere an dieser Therapie ist, dass der Gestik und der Wortwahl des Patienten sehr große Aufmerksamkeit zuteilwird, denn danach werden die Beschwerden einer oder mehreren Fasziendistorsionen zugeordnet, für deren Behandlung Typaldos uns ein Therapiekonzept an die Hand gegeben hat.
Der US-amerikanische Notfallmedizinischer und Osteopath Stephen Typaldos hat 1991 sein Behandlungskonzept für fasziale Störungen vorgestellt und nannte es Faszien-Distorsionsmodell. Er hatte beobachtet, dass seine Patienten immer wieder ähnliche Gesten und Worte gebrauchten, um ihre Beschwerden zu beschreiben. Als Ursache dieser Beschwerden fand er sechs verschiedene Fasziendistorsionen und entwickelte für jede ein Therapiekonzept.
Die Faszientherapie nach Typaldos kann man als osteopathische Behandlungstechnik bezeichnen, bei der meist durch manuelle Techniken - nur selten werden z.B. Schröpfköpfe, Klammern, Kämme, Pezzibälle oder auch Inversionsliegen zu Hilfe genommen - Faszien behandelt werden, indem die krankhaften Veränderungen rückgängig gemacht werden.
Die häufigste Fasziendistorsion ist das "Triggerband", der Patient zeigt hier eine Linie und berichtet meist über einen genau hier ziehenden, brennenden Schmerz. Die Therapie besteht darin, mit dem Daumen dieses Triggerband kräftig "auszubügeln". Liegt ein "Hernierter Triggerpunkt" (zweithäufigste Distorsion) vor, zeigt der Patient mit ein oder zwei Fingern die schmerzhafte Stelle, der Therapeut drückt mit Kraft und Raffinesse dieses eingeklemmte Gewebe zurück.
Bei akuten oder auch chronischen Schmerzen am Bewegungsapparat einhergehend oft mit Bewegungseinschränkung, Kraftminderung, Instabilität und Missempfindungen kommt die Faszienthrapie zum Einsatz.
Im folgenden möchte ich Ihnen einige Beispiele nennen, die erfahrungsgemäß sehr gut auf die Therapie ansprechen.
Schon nach einer Behandlung sollte zumindest eine Besserung der Beschwerden eintreten. In der Regel sind jedoch mehrere Sitzungen erforderlich. Oftmals kann nach wenigen Behandlungen sogar vollständige Beschwerdefreiheit erreicht werden.
Faszientherapie wird von Ärzten verschiedener Fachrichtungen, meist jedoch von Orthopäden, Chirurgen oder Allgemeinärzten angeboten, da diese Fachgruppen viele Patienten mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen am Bewegungsapparat haben. Darüber hinaus wird diese Therapie von Osteopathen, Heilpraktikern und Physiotherapeuten angeboten.
Wichtig ist, dass die Therapeuten über eine zertifizierte Ausbildung verfügen und sich ständig weiterbilden und im Austausch mit Kollegen im In- und Ausland stehen, um dem Patienten die bestmögliche Therapie anzubieten.
Die Kosten für die Faszientherapie belaufen sich in etwa auf 80 € bis 120 € pro Sitzung. Die Abrechnung erfolgt nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und wird in der Regel von privaten Krankenversicherungen Beihilfestellen und entsprechenden Zusatzversicherungen übernommen. Die gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen die Kosten bislang nicht.
Die Experten-Sprechstunde dient nur der allgemeinen Information, nicht der Selbstdiagnose und ersetzt eine Behandlung weder medizinisch noch rechtlich. Die Antworten spiegeln die Meinung des Autors wider und nicht die der Betreiber von www.pluspatient.de
Facharzt für Chirurgie Jürgen Gabriel
0.0 von 5 Sternen. 0 Bewertung(en). Zum Bewerten bitte auf den gewünschten Stern drücken.
Das Ärzteportal von Patienten für Patienten
Arzt finden
Wichtige Themen
Neueste Themen
Medizin von A-Z
Häufigste Suchen
Experten im Gespräch