Sie tragen Namen wie „Low Carb“, „Blutgruppendiät“ oder „Paleo“. Was sie versprechen klingt führ viele Menschen verlockend: Mehr Fitness, weniger Körpergewicht, ein verbessertes Bewegungspotenzial – dank der Rückbesinnung auf urzeitliche Ernährungsgrundlagen und ohne Hungern. Doch halten die Ernährungsmythen auch in der medizinischen Praxis das, was sie auf den Zeilen diverser Magazine versprechen?
Abnehmen. Das ist ein seit Jahrzehnten ungebrochener Dauerbrenner. Nicht nur bei Adipösen, sondern auch bei Menschen, die einfach nur unzufrieden mit ihrem Körper sind und glauben, dieses Gefühl durch Gewichtsverluste abstellen zu können. Gerade durch die Möglichkeiten des Internets gelangen in diesem Umfeld seit einigen Jahren diverse „neue“ Ernährungsformen in die Gesellschaft und verbreiten sich rasend schnell. Überraschend oft wird dabei urmenschliche Ernährung zugrunde gelegt. Drei davon werden auf den folgenden Zeilen beleuchtet.
Grundlagen: Die Paleo-Diät ist „die“ Steinzeitdiät, denn sie verspricht auf die grundlegenden menschlichen Ernährungsbedürfnisse einzugehen. Diese werden von den Anhängern dieser Ernährungsform, die in den 1970ern vom Gastroenterologen Walter L. Voegtlin konzipiert wurde, im Speiseplan unserer urmenschlichen Vorfahren zugeordnet. Von allen noch in diesem Artikel zu lesenden Diäten stützt sich Paleo am stärksten auf vorzeitliche Ernährungsweisen.
Und so gehört es zu dieser Diät, dass dabei nur Speisen und Getränke konsumiert werden, die auch den Urmenschen, sprich Homo heidelbergensis, Homo neanderthalensis und Cro-Magnon-Mensch in ihrer Eigenschaft als mitteleuropäische Jäger und Sammler zur Verfügung standen. Dementsprechend lehnen Paleo-Anhänger sowohl prozessiertes Getreide wie auch exotische Früchte sowie ferner Milchprodukte und raffinierte Pflanzenöle ab.
Als Argument wird angeführt, dass der Mensch genetisch nicht in der Lage sei, diese im Laufe seiner Entwicklung hinzugekommenen Nahrungsmittel richtig zu verarbeiten. Daher fokussiert man sich auf:
Die Paleo-Diät setzt darauf, ausschließlich das zu konsumieren, was auch hiesigen Urzeitmenschen zur Verfügung stand.
Die einzigen Getreide, die in diesem Umfeld „erlaubt“ sind, sind Wildgetreidesorten, von denen bekannt ist, dass sie auch schon zu Zeiten des Paläolithikums wuchsen und die höchstwahrscheinlich von den damals lebenden Menschen bereits verarbeitet wurden.
Bewertung: Allein aus der Tatsache, dass diese Diätform von einem Mediziner ersonnen wurde, ergeben sich einige gute Ansätze. Allerdings muss dabei unterstrichen werden, dass die Paleo-Diät durch ihre Einseitigkeit dem Körper sowohl Calcium als auch Ballaststoffe vorenthält, wohingegen das Überangebot von tierischen Proteinen und Fetten sich auf Leber, Blase und Nieren negativ auswirken kann. Insgesamt kann es phasenweise als Diät eingesetzt werden, sollte aber ohne ärztliche Aufsicht nicht länger als 14 Tage betrieben werden. Die Behauptung, der Mensch könne die verbotenen Lebensmittel nicht richtig verwerten, ist indes wissenschaftlich vollkommen haltlos.
Grundlagen: Low-Carb ist der Gattungsbegriff für eine Reihe von Diät-Philosophien, die sich auf die Niederschrift eines Briten stützen, der im 19. Jahrhundert von seinem Arzt eine kohlenhydratreduzierte Ernährung zur Gewichtsabnahme verschrieben bekam.
Eine weite Verbreitung erfuhr das Prinzip indes erst in den 1970ern, nachdem es der US-Kardiologe Robert Atkins erneut aufgriff und sie in Form der sogenannten „Atkins-Diät“ verbreitete. Heute existieren unterschiedliche Strömungen von Low-Carb. Sie alle stützen sich jedoch auf die Annahme, dass der Mensch genetisch bedingt nicht sonderlich gut an die Verwertung von Kohlenhydraten angepasst sei. Dies wird mit Hinweis auf die Körperreaktion auf den Konsum von Glucose erklärt, welcher eine rasche und starke Insulinausschüttung zur Folge hat.
Obwohl Low-Carb gute Ansätze vertritt, fallen dabei zu viele gesunde Lebensmittel wegen ihres Kohlenhydratgehalts durchs Raster
Ferner wird von den Anhängern dieser Theorie auch das Entstehen diverser Zivilisationskrankheiten bis hin zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen auf einen übermäßigen Kohlenhydratkonsum zurückgeführt. Grundsätzlich wird bei allen Varianten die Zufuhr von Kohlenhydraten daher stark gedrosselt und dem Körper ein Überangebot an Eiweißen zur Verfügung gestellt – hier sind die Parallelen zur Paleo-Diät und damit als „urmenschlich“ postulierten Ernährungsweisen erkennbar.
Bewertung: Die ersten empirischen Studien zur Bewertung von Low-Carb-Diäten fanden erst in den frühen 2000ern statt, bestätigten aber das was Mediziner bis dahin vermutet hatten. Zwar sorgen diese Diätformen in der Tat für eine (zu erwartende) Gewichtsabnahme. Gleichzeitig steigern sie jedoch im Vergleich mit konventionellen Mischkostdiäten die Harnstoffwerte sowie den LDL-Cholesterinspiegel. Zudem erhöht sich das Risiko für Diabetes. Insbesondere aus sportmedizinischer, aber auch ernährungsphysiologischer Sicht, fallen zudem die weiteren Nachteile dieser Philosophie, durch welche die Einlagerung von Glykogen verschlechtert wird, ins Gewicht. Besonders aus diätischer Sicht ist zudem die Tatsache kritisch zu sehen, dass viele sehr förderliche Nahrungsmittel, darunter diverse Obstsorten, hohe Kohlenhydratwerte aufweisen. Je nach Form der Low-Carb-Diät bleiben diese jedoch auf dem Speiseplan außen vor. Es gelten ferner die Hinweise, die auch für die Paleo-Diät erwähnt wurden.
Grundlagen: Die sogenannte Blutgruppendiät wurde in den 1990ern vom US-Naturheilkundler Peter D’Adamo ersonnen. Sie vertritt die These, dass die menschliche Blutgruppe nicht nur bestimmte medizinische Eigenheiten ihrer jeweiligen Träger verursache, sondern darüber hinaus auch in direkter Linie auf die Vorfahren der Person rückschließen lässt.
D’Adamo und seine Anhänger sind daher der Auffassung, dass jeder Blutgruppentyp eine ganz eigene Reihe von Nahrungsmitteln und Nährstoffen gut oder weniger gut verträgt. Demnach gelten hier die folgenden Grundregeln:
Als Beweis für diese Thesen wird von Anhängern der Blutgruppendiät angeführt, dass eine Nichtbeachtung der Ernährungsregeln zur Folge hätte, dass die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) verklumpen würden. Zudem wird behauptet, dass jede Blutgruppe eine andere Anfälligkeit für Krankheiten nach sich zöge – so wären angeblich zu Zeiten der Pest überproportional viele Menschen der Blutgruppe 0 unter den Opfern gewesen.
Bewertung: Auch wenn die Blutgruppendiät versucht, sich ein wissenschaftliches Erscheinungsbild zu geben, muss mit Stand 2017 festgestellt werden, dass bislang jeglicher Beweis aus der Schulmedizin fehlt. Weder gibt es einen Hinweis darauf, dass Menschen unterschiedlicher Blutgruppen ein empirisch belegbar unterschiedliches Verhalten und Reaktionen auf bestimmte Nährstoffe aufweisen, noch existiert ein Nachweis, dass diese Ernährungsphilosophie tatsächlich eine breit reproduzierbare Gewichtsabnahme zur Folge hat.
Letztendlich können einige Varianten sogar ungesund sein, etwa die des „Jägers“, die wie die Paleo-Diät einen zu großen Schwerpunkt auf eiweißreiche Ernährung setzt. Zudem widersprechen eine ganze Reihe von D’Adamos Postulierungen den historischen Tatsachen – so rät die Diät allen Blutgruppen außer B zum Verzicht auf Milchprodukte. Tatsächlich finden sich die meisten Menschen, die unter Laktoseintoleranz leiden, jedoch in Asien, wo ausgerechnet B die große Majorität bildet.
Abschließend kann auch die Pest-These nicht gehalten werden, weil zwischen der Entdeckung der Blutgruppen im bekannten AB0-System (1901) und den letzten großen Pestausbrüchen in Europa (vor 1714) fast zwei Jahrhunderte vergingen und somit keine wissenschaftlich tragfähigen Nachweise über die Blutgruppen der zuvor Verstorbenen vorliegen können.
Je nach Blutgruppe hat diese Diät unterschiedliche Nachteile. Die Blutgruppe 0 etwa bekommt viel zu wenig Ballaststoffe.
Die drei hier dargelegten Diätformen versprechen mehr, als sie halten können. Es sei festgehalten, dass sowohl Paleo- als auch Low-Carb-Diät durchaus zur Gewichtskorrektur beitragen können. Allerdings wird dies durch einen bestenfalls als unvernünftig zu bezeichnenden Verzicht auf wertvolle Nährstoffe erkauft. Die Blutgruppendiät, die im Übrigen als einzige dieses Trios nicht von einem Mediziner ersonnen wurde, ist nicht mehr als medialer Hype, dem keinerlei positive Wirkung attestiert werden kann.
Wer wirklich nachhaltig abnehmen möchte, sollte es auf die „klassische“ Weise tun, in dem der Kalorienverbrauch langfristig höher als die -zufuhr gehalten wird. Kombiniert man dies mit Sport, kann jeder Mensch Gewicht verlieren – auch ohne in die Geschichte seiner Vorfahren greifen zu müssen.
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